Frage- und Antwortforum

Thema: GIBT ES HILFE IN DER NHK FÜR ZERVIKALE DYSTONIE ?
Frau C F. 25.02.2002

Frage:
GIBT ES ANDERE MEDIKAMENTE AUSSER BOTULINUMTOXIN BEI ZERVIKALER DYSTONIE ODER ANDERE VERFAHRENSWEISEN OHNE SO MASSIVE NEBENWIRKUNGEN?

Antwort:
Sehr verehrte Frau Fischer-drews,
da Sie eine besonders interessante Frage gestellt haben und viele der Leser dieses Forums, die zervikale Dystonie nicht kennen werden, habe ich mir erlaubt, weiter auszuholen. Zusaetzlich fand ich sehr wertvolle Informationen auf einer Internet Seite.
Die Alternative zu der Behandlung mit Botulinumtoxinen, finden Sie am Ende der Abhandlung.

Zervikale Dystonie
Symptome

Die zervikale Dystonie (zervikal = den Hals-/Nackenbereich betreffend), auch bekannt als Torticollis spasmodicus, ist gekennzeichnet durch unwillkürliche abnorme Kopfstellungen und Kopfbewegungen, die durch überaktive Hals- und Nackenmuskeln bedingt sind. Die normale Abstimmung zwischen einzelnen Muskeln und ihren Gegenspielern ist so gestört, dass diese Muskelgruppen fälschlicherweise gleichzeitig aktiviert werden. Meistens kann der Kopf aus der Abweichung nicht aktiv in die normale Haltung gebracht werden. Es gibt verschiedene Grundtypen der zervikalen Dystonie, die durch die unterschiedliche Art des Bewegungsrhythmus und die unterschiedliche Richtung der Abweichung des Kopfes gekennzeichnet sind: Den drehenden rotatorischen Torticollis, den zur Schulter kippenden Laterocollis, den nach vorn auf die Brust gebeugten Anterocollis und den nach hinten überstreckten Retrocollis. Zusätzlich kommen Verschiebungen der Kopf-Körper-Achse in verschiedenen Ebenen vor. Gelegentlich wird die zervikale Dystonie auch von einem Schulterhochstand begleitet. Die vier verschiedene Torticollistypen können auch kombiniert auftreten.


Ursache

Man weiß, dass Dystonien auftreten können, wenn bestimmte Zentren im Gehirn durch Erkrankungen geschädigt werden, beispielsweise durch Schlaganfälle, Tumore, Hirnentzündungen oder -verletzungen, Gefäßmissbildungen oder auch durch die Einnahme bestimmter Medikamente. Diese Dystonien nennt man "symptomatisch", da ihnen eine bekannte Ursache zu Grunde liegt. Allerdings findet man bei den meisten fokalen Dystonien - also auch beim Torticollis - keine Ursache. Das heißt aber nicht, dass es keine gibt. In der Medizin bezeichnet man Dystonien, bei denen die Ursache unbekannt oder unklar ist, als "idiopathisch". Das heißt soviel wie "aus sich heraus". Trotzdem sind Forschung und Wissenschaft auf der Suche nach den wahren Gründen für die Entwicklung einer "idiopathischen zervikalen Dystonie". Das ist bis heute noch nicht gelungen, obgleich man weiß, dass die Ursache im Gehirn liegen muss. Die zervikale Dystonie entsteht wahrscheinlich durch eine Störung der Regelung der Kopfhaltung im Gehirn. Ein für diese Regelung wichtiges Zentrum sind die sog. Basal- oder Stammganglien. Das in diesen Ganglien gesteuerte System der Bewegung nennt man "extrapyramidales System" und daher wird die zervikale Dystonie in den Lehrbüchern der Neurologie den "extrapyramidalen Erkrankungen" zugeordnet. Was im Einzelnen jedoch in diesem System gestört ist, damit es zum Torticollis kommt, ist nicht geklärt. Diskutiert wird über eine Reihe von auffälligen Beobachtungen bei idiopathischen zervikalen Dystonien. So wurde nach Unfällen mit Beteiligung von Kopf, Hals und Nacken ein gehäuftes Auftreten zervikaler Dystonien beobachtet.


Diagnose

Klinische Untersuchungen, oft kombiniert mit elektromyographischen Ableitungen (EMG), führen zur Diagnose der zervikalen Dystonie bzw. dem dystonen Torticollis. Ein wichtiges Merkmal aller Formen der zervikalen Dystonie ist ein überaktiver Muskelzug des Kopfes in die falsche Richtung. Mit dem EMG wird der Spannungszustand (Tonus) von Muskeln gemessen. Bei Torticollis-Patienten läßt sich im Vergleich zu Gesunden mit dem EMG bereits in Ruhe in den betroffenen Muskeln ein erhöhter Tonus nachweisen. Durch Auslösen von Dehnungsreflexen im betroffenen Muskel, bzw. über Hautreize, wird die krankhaft gesteigerte Reflexerregbarkeit deutlich. Bei Torticollis-Patienten wurde z.B. folgendes beobachtet: Nach willkürlicher Drehung des Kopfes in die Torticollisrichtung gegen Widerstand und nach plötzlicher Entlastung kommt es bereits nach 0,5 - 1 Sekunde zu einer erneuten Innervation (= Weiterleitung der von den Nerven aufgenommen Reize an die einzelnen Teile und Organe des Körpers). Bei Menschen ohne Dystonie dauert diese Zeit bis zu 3 Sekunden.


Behandlung

Eine wirklich dauerhafte Heilung einer zervikalen Dystonie gibt es bis heute nicht. Die Ausnahme bilden jene symptomatischen zervikalen Dystonien, bei denen die Ursache erfolgreich behandelt werden kann. Die am häufigsten angewandten Behandlungsmethoden bei Patienten mit zervikaler Dystonie sind:
 Lokale Injektionstherapie mit Botulinumtoxin
 Oral einzunehmende Medikamente
 Physiotherapie
 Psychotherapie in Form von Verhaltenstherapie
 "Alternative" oder "unkonventionelle" Verfahren
 Operative Eingriffe:
Selektive periphere Denervierung
Schwächung der Muskulatur der betroffenen Region, durch Trennung einzelner Nervenfasern, die für die Versorgung der Halsmuskeln verantwortlich sind.
Myotomie
Durchtrennung einzelner dystoner Muskeln. Diese Methode ist dann sinnvoll, wenn tiefe Halsmuskeln betroffen sind, bei denen eine Denervierung nicht möglich ist oder mit höherem Risiko behaftet wäre.
Tiefenhirnstimulation
Behandlung von Patienten mit komplexer zervikaler Dystonie. Auf beiden Seiten werden Elektroden mit Hilfe stereotaktischer Verfahren in das sogenannte Pallidum (Teil des Zwischenhirns) implantiert, ähnlich der Behandlung von Patienten mit generalisierter Dystonie.


Botulinumtoxin
Die Substanz
Der Name stammt aus dem Lateinischen - botulus = Wurst und toxin = Gift. Von allen bekannten Giften ist Botulinumtoxin das giftigste, gleichzeitig aber auch die wirksamste therapeutische Substanz. Gebildet wird das Toxin von Bakterien (Chlostridien), allerdings nur unter Luftabschluss. Früher fanden diese Bakterien in nicht optimal konservierten Lebensmitteln - vor allem in eingemachten Bohnen oder eben in der Wurst - hervorragende Wachstumsbedingungen. Das führte dann zu einer als Botulismus bezeichneten Lebensmittelvergiftung. Mit diesem historischen Hintergrund hat das in der Dystonie-Behandlung eingesetzte Botulinumtoxin letztlich nur den Wirkmechanismus gemein: Das Toxin läßt Muskeln für eine bestimmte Zeit erschlaffen. Rückblickend ist es heute für die Patienten, die mit Botulinumtoxin behandelt werden, ein großer Vorteil, dass es zu Botulismus-Erkrankungen überhaupt gekommen ist und mitunter auch noch kommt, denn die erfolgreiche intensivmedizische Behandlung derartiger Vergiftungsopfer hat gezeigt, dass die Substanz zu keinen bleibenden Schäden führt.



Wirkmechanismus
Hier greift Botulinumtoxin Inzwischen kennt man sieben verschiedene Typen von Botulinumtoxin - A bis F -, von denen für die Therapie Typ A und seit kurzem auch Typ B verwendet werden. Der Wirkmechanismus ist eine sehr spannende Geschichte, jedoch dem Laien nicht ganz einfach zu erklären. Eine wichtige Rolle spielen dabei beispielsweise eiweißspaltende Proteasen, bestimmte Kopplungsprozesse und neuromuskuläre Übertragungsvorgänge. Verkürzt dargestellt geht es um folgendes: Zunächst wird das Toxin in den Muskel gespritzt und gelangt dann über eine Verbindungsstelle in den Nerv. Am Nervenende verhindert Botulinumtoxin dann die Freisetzung einer für alle Bewegungsabläufe notwendigen Substanz, das Acetylcholin. Wird dieser Überträgerstoff (Transmitter) blockiert, erschlafft der Muskel. Da diese Blockade dem Organismus eigentlich nicht gefällt, setzt er nach einer gewissen Zeit am Nervenende bestimmte Mechanismen in Gang, die letztlich den ursprünglichen Zustand wieder herstellen - das Nervenende regeneriert sich und ermöglicht dadurch wieder die Freisetzung von Acetylcholin. Das hat zur Folge, dass der betreffende Muskel wieder aktiv bzw. überaktiv wird.



Therapie
Die Botulinumtoxin-Behandlung hat die Therapie von fokalen Dystonien revolutioniert. In den späten 1970er Jahren experimentierte der Augenarzt Allan Scott in San Francisco als erster Arzt mit der Substanz und setzte sie dann zu Beginn der 1980er Jahre zunächst bei Kindern mit Blepharospasmus ein. Ab Mitte der 1980er Jahre begannen zunehmend auch Neurologen Botulinumtoxin einzusetzen. Die sich laufend verlängernde Liste der Anwendungsgebiete reicht von fokalen und zervikalen Dystonien über den hemifazialen Spasmus, die Zerebralparese, eine übermäßige Schweißproduktion bis hin zu Spannungskopfschmerz, Migräne und Faltenglättung. Für den therapeutischen Erfolg gilt, dass Botulinumtoxin dort am besten wirkt, wo es sich um einen exakt umschriebenen fokal begrenzten Bereich handelt.



Antikörper gegen Botulinumtoxin
Wenn ein Patient auf eine Wiederholungsinjektion mit Botulinumtoxin nicht mehr anspricht, ist es möglich, dass sich neutralisierend wirkende Antikörper gegen des Toxin im Organismus gebildet haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Antikörperbildung kommt, hängt von mehreren Faktoren ab. Benötigt ein Patient nur relativ geringe Dosierungen (z.B. beim Blepharospasmus) wird er vermutlich keine Antikörper bilden. Patienten mit Torticollis z.B., bei denen erheblich höhere Dosierungen eingesetzt werden müssen, liegt das Risiko bei ca. 5 Prozent. Daraus ergibt sich für den Arzt die Konsequenz, mit einer Dosierung zu behandeln, die gleichzeitig effektiv, aber dennoch so niedrig wie möglich ist. Eine sinnvolle Maßnahme, einer möglichen Antikörperbildung vorzubeugen, ist auch, die Intervalle zwischen den Behandlungen möglichst groß zu halten. Außerdem weiß man inzwischen, dass Präparate mit einem relativ geringen Eiweißgehalt seltener zu einer Antikörperbildung führen als Präparate mit einem hohen Gehalt an Eiweiß. Für ein nicht wieder erreichtes Ansprechen auf die Botulinumtoxin-Therapie kann es jedoch auch andere Gründe geben, wie z.B. ein Fortschreiten der Krankheit oder die Notwendigkeit, die Dosierung neu anzupassen. Eine weitere Möglichkeit, die allerdings eigentlich nicht vorkommen sollte: bei der Injektion wurde der überaktive Muskel nicht exakt getroffen.

Aus dem Vorstehenden geht die Problematik der Behandlung mit Bovinustoxinen hervor.
In meinen Praxen behandelte ich die zervikale Dystonie wie folgt:
Grundsaetzlich wurde nach neuralen Stoerfeldern, unter Einbeziehung der Zaehne gesucht. Mehrfach kam es da bereits zu dem sog. Sekundenphaenomen nach Hunecke. In der Regel jedoch, wurde paravertebral mit Procain-hydrochlorid gequaddelt. An den entsprechenden Stellen,wurde dann durch die Quaddel hindurch, tief, bis an den Muskelansatz des betroffenen Muskels, 0,5 – 1,0 ml Procain-hydrochlorid injiziert.
Von der Injektion an das Ganglion Stellatum bin ich wegen der Gefaehrlichkeit abgekommen.
3 – 5 ml Eigenblut wurden mit Discus Comp. Neuralgo-Rheum-Injeel und Traumeel S gemischt und intramuskulaer reinjiziert.
In vielen Faellen wurde, je nach Ausgangslage, Baunscheidtiert, auch Blutegel kammen hin und wieder zum Einsatz.
Abgerundet wurde der Therapiekomplex, durch Reizstroeme und Massagen.
Welche Therapieform, bzw. welchen Therapiekomplex ein Behandler auch einsetzt, die Stoerfeldsuche im Sinne der Neuraltherapie, darf niemals fehlen.
Mit freundlichen Gruessen
Hp. Kurt W. Seifert


 


26.02.2002

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